Gustav Schwab

Gustav Schwab

Die schönsten Sagen des klassischen Altertums

Aus der Heraklessage

gekommen bin. Diese Jungfrau hier habe ich als Siegeslohn bei einem Kampfspiele empfangen. Nun gehe ich hin, neue Kämpfe zu bestehen. Bis ich diese vollbracht habe, übergebe ich dir die Jungfrau als Dienerin; sorge du für sie als das Eigentum eines Freundes.«

Admet erschrak, als er den Herakles so sprechen hörte. »Nicht, weil ich den Freund verachtet oder verkannt hätte«, erwiderte er, »habe ich dir meiner Gattin Tod verborgen, sondern um mir nicht noch mehr Leiden dadurch zu bereiten, daß ich dich in eines anderen Freundes Haus davonziehen ließe. Dieses Weib aber, Herr, bitte ich dich, einem andern Bewohner von Pherai zuzuführen, nicht mir, der ich soviel gelitten habe. Hast du ja doch genug Gastfreunde in dieser Stadt. Wie könnte ich ohne Tränen diese Jungfrau in meinem Hause erblicken? Den Männeraufenthalt könnte ich ihr nicht zur Wohnung geben, und sollte ich ihr die Gemächer der verstorbenen Gattin einräumen? Das sei ferne! Ich fürchte die üble Nachrede der Pheraier, ich fürchte auch den Tadel der Entschlafenen!« So sprach abwehrend der König; aber ein wunderbares Sehnen zog seine Blicke doch wieder auf die tief verschleierte Gestalt. »Wer du auch seiest, o Weib«, sagte er seufzend, »wisse, daß du an Größe und Gestalt wundersam meiner Alkestis gleichest. Bei den Göttern beschwöre ich dich, Herakles, führe mir diese Frau aus den Augen und quäle den Gequälten nicht noch mehr; denn wenn ich sie erblicke, wähne ich mein verstorbenes Gemahl zu sehen, ein Strom von Tränen bricht aus meinen Augen, und aufs neue versinke ich in Kümmernis.« Herakles unterdrückte sein wahres Gefühl und antwortete betrübt: »O wäre mir von Zeus die Macht verliehen, dir dein heldenmütiges Weib aus dem Schattenreich ans Licht zurückzuführen und dir für deine Güte solche Gunst zu erweisen!« - »Ich weiß, du tätest es«, erwiderte Admet; »wann aber kehrte je ein Toter aus dem Schattenreiche zurück?« - »Nun«, fuhr Herakles lebhafter fort, »weil dies nicht geschehen kann, so gestatte der Zeit, deinen Kummer zu lindern; den Toten geschieht doch kein Gefallen mit der Trauer. Verbanne auch den Gedanken nicht ganz, daß eine zweite Gattin dir einst noch das Leben erheitern kann. Endlich, mir zuliebe nimm das edle Mädchen, das ich dir hier bringe, in dein Haus auf. Versuch es wenigstens; sobald es dir nicht